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Änderungen im Zivilprozessrecht gemäß der Zivilstreitordnung

Am 21. Mai 2015 verabschiedete der Nationalrat der Slowakischen Republik den Entwurf der Zivilstreitordnung, die am 1. Juli 2016 wirksam werden soll. In diesem Beitrag stellen wir kurz einige Änderungen vor, die die Zivilstreitordnung („ZSO“) mit sich bringt.

 

  1. Strafe für unbegründeten Einwand der Befangenheit (§ 58 ZSO)

Eine der durch ZSO eingeführten Neuigkeiten ist die Möglichkeit des Gerichts, eine Ordnungsstrafe von bis zu EUR 500 aufzuerlegen, wenn das überordnete Gericht einem schikanösen oder offensichtlich unbegründeten Einwand der Befangenheit nicht stattgibt. Es handelt sich um ein fakultatives Institut, bei dem sowohl in Bezug auf die Begründetheit des Einwands als auch auf die Höhe der Ordnungsstrafe die richterliche Überlegung Anwendung findet.

  1. Zustellung von Schriftstücken zu eigenen Händen (§§ 111, 114, 116 ZSO)

Im Sinne der ZSO gilt das Schriftstück, welches an die im Melderegister der Slowakischen Republik eingetragene Anschrift einer natürlichen Person oder an die Anschrift des Aufenthaltsortes eines Ausländers im Gebiet der Slowakischen Republik oder bei einer juristischen Person an die im Handelsregister oder einem anderen öffentlichen Register eingetragene Sitzadresse nicht zugestellt werden kann, am Tag der Rückzustellung des nicht zugestellten Schriftstücks an das Gericht als zugestellt, auch wenn der Empfänger davon nicht erfährt. Das System der Zustellung von Schriftstücken zu eigenen Händen (an natürliche oder juristische Personen) - sofern der Empfänger am Zustellungsort nicht erreicht wurde, obwohl er sich dort aufhält -, nach dem der Zusteller verpflichtet ist, den Empfänger davon in Kenntnis zu setzen, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit der nächste Zustellungsversuch erfolgt, und beim Misserfolg des nächsten Zustellungsversuchs das Schriftstück an der Post oder bei einem Gemeindeorgan zu hinterlegen (wo der Empfänger die Sendung innerhalb der Hinterlegungsfrist abholen kann), ist in der ZSO nicht enthalten.

Durch die neu eingeführte Regelung soll die Zustellung zu eigenen Händen durch die Einführung des proklamierten Grundsatzes der strengen Haftung für die Richtigkeit der in öffentlichen Registern eingetragenen Angaben und der Haftung für den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf vereinheitlicht und erheblich effizienter gestaltet werden.

Eine ähnliche Zustellungsfiktion ist auch in der aktuell wirksamen Zivilprozessordnung enthalten, allerdings nur in Bezug auf juristische und natürliche Personen – Unternehmer. In Bezug auf natürliche Personen – Nichtunternehmer, bei denen die Zustellung des Schriftstücks an die Anschrift ihres festen oder vorübergehenden Aufenthalts nicht möglich ist, legt das Gesetz dem Zusteller die Pflicht fest, das Schriftstück durch Hinterlegung in der Gerichtsakte zuzustellen, und zwar nur unter der Voraussetzung, dass der Ort, an dem sie Schriftstücke übernehmen, nicht feststellbar ist, und auch nicht möglich ist, dass sie durch einen bestellten Betreuer vertreten werden.

Die ZSO legt jedoch gleichzeitig fest, dass wenn das Schriftstück als am Tag der Rückzustellung der nicht zugestellten Sendung an das Gericht als zugestellt angesehen wird und durch dessen Zustellung der Lauf einer Frist begonnen hat, die der Empfänger versäumt hat, da er von dem Schriftstück nicht erfahren hat, das Gericht dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist stattgibt, falls der Empfänger sich aus einem gerechtfertigten Grund an der (sich aus den öffentlichen Registern ergebenden) Zustellungsadresse nicht aufgehalten hat und in diesem Zusammenhang keine Rechtspflicht verletzt hat. Es handelt sich um eine Sonderrechtsregelung in Bezug auf den allgemeinen Modus des Fristnachlasses und in begründeten Fällen um eine Milderung der Wirkungen der objektiven Haftung für die Richtigkeit der Angaben in öffentlichen Registern.

Zur Zustellung von Klagen an natürliche Personen enthält die ZSO eine spezielle Bestimmung zur Regelung dieser Problematik. Gelingt es nicht, die Klage an eine natürliche Person an die (sich aus den öffentlichen Registern ergebende) Zustellungsadresse nicht zuzustellen, so ist das Gericht verpflichtet, sämtliche erforderliche Schritte zur Ermittlung des tatsächlichen Aufenthalts des Beklagten zu ergreifen. Gelingt es dem Gericht nicht, die Klage an die gemäß dem vorstehenden Satz ermittelte Anschrift zuzustellen, so veröffentlicht das Gericht die Bekanntmachung über die Klage durch den öffentlichen Aushang an der Amtstafel des Gerichts und auf seiner Webseite. Die Klage gilt nach 15 Tagen nach der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung als zugestellt, und zwar auch wenn der Beklagte davon nicht erfahren hat. Es handelt sich um Übertragung der Anforderung der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union.

III. Sicherstellung der Teilnahme eines Zeugen an der Verhandlung (§ 197 ZSO)

Neu wird die Sicherstellung der Anwesenheit eines vorgeschlagenen Zeugen durch eine der Prozessparteien und nur subsidiär durch das Gericht bevorzugt. Wenn die Anwesenheit des Zeugen nicht durch die seine Vernehmung beantragende Partei sichergestellt werden kann, beantragt die Partei beim Gericht die Ladung dieses Zeugen. Die Partei, die die Anwesenheit des Zeugen an der Verhandlung sicherstellt, informiert davon sowohl das Gericht als auch die Gegenpartei zwecks Ermöglichung der eingehenden Vorbereitung der Gegenseite auf die Vernehmung des Zeugen. Die erwähnte Änderung verfolgt eine eingehende Anwendung des Behandlungsgrundsatzes, der ein kontradiktorisches Streifverfahren beherrscht.

  1. Sachliche Begründung des Widerspruchs gegen Mahnbescheid (§ 267 Abs. 1 ZSO)

ZSO präzisiert die Pflicht der sachlichen Begründung des Widerspruchs gegen Mahnbescheid. In der Begründung wird der Beklagte verpflichtet sein, maßgebende Umstände darzulegen, auf die er seine Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch stützt. Dem Widerspruch fügt er Urkunden hinzu, auf die er sich beruft, ggf. führt er Beweise zum Nachweis seines Vortrags an. Im Sinne der Begründung zur ZSO ist das Institut der sachlichen Begründung als ordnungsgemäße Begründung auszulegen. Ein sachlich begründeter Widerspruch ist als mit Begründung in der Sache selbst, d.h. unter Erfüllung der Darlegungs- und Beweispflicht erhobener Widerspruch auszulegen. Durch die vorgenannte Regelung sollen langfristige Probleme behoben werden, die bei Würdigung von Widersprüchen entstehen, deren Begründung aus einem Satz besteht, und zwar, dass der Beklagte den Antrag missbillige.

Einen ohne sachliche Begründung erhobenen Widerspruch weist das Gericht durch Beschluss zurück. Der Mahnbescheid wird somit am Tag der Rechtskraft des Beschlusses nach vorstehendem Satz rechtskräftig. Da im Sinne des § 357 Buchst. c) ZSO die Berufung auch gegen den Beschluss des Gerichts der ersten Instanz über die Zurückweisung der Eingabe in der Sache selbst - die auch der Widerspruch gegen den Mahnbescheid ist - zulässig ist, kann sich der Beklagte gegen diesen Beschluss berufen. Die Frage der Rechtskräftigkeit des Mahnbescheids wird somit von der Entscheidung über die Berufung abhängen. Bestätigt das Berufungsgericht den Beschluss, so wird der Mahnbescheid am Tag der Rechtskraft der Entscheidung über diese Berufung rechtskräftig. Wenn dagegen das Berufungsgericht den angefochtenen Beschluss aufhebt und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zur weiteren Behandlung zurückverweist, wird das erstinstanzliche Gericht verpflichtet sein, den Mahnbescheid aufzuheben und eine Verhandlung anzuberaumen.

  1. Versäumnisurteil auch gegen den Kläger (§§ 278- 281 ZSO)

Die aktuelle Zivilprozessordnung ermöglicht es dem Gericht, das Versäumnisurteil nur in Folge der prozessualen Passivität des Beklagten zu erlassen. Die ZSO hält sich dagegen an den Grundsatz, nach dem die Folgen des kontradiktorischen Streitverfahrens die prozessuale Aktivität der beiden Parteien gleichermaßen erfordern. Daher ahndet sie auch das passive Verhalten auf Seiten des Klägers durch den Verlust der Streitigkeit in Form eines zurückweisenden Kontumazurteils. Unter dem passiven Verhalten ist dabei das Ausbleiben des Klägers von der Verhandlung in der Sache, obwohl er dazu ordnungs- und fristgerecht geladen wurde und in der Ladung zu der Verhandlung über die Folgen des Ausbleibens von der Verhandlung, einschließlich der Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils, belehrt wurde, und der Kläger seine Abwesenheit nicht ordnungs- und fristgerecht mit wichtigen Gründen entschuldigt hat“ zu verstehen.

Die Konstruktion der Aufhebung dieses Urteils ist gleich wie bei einem Kontumazurteil gegen den Beklagten („hat der Kläger aus einem gerechtfertigten Grund die Verhandlung in der Sache versäumt und wurde in der Verhandlung ein Versäumnisurteil verkündet, so hebt das Gericht dieses Urteil auf Antrag des Klägers durch Beschluss auf und beraumt eine neue Verhandlung an.“ Den Antrag kann der Kläger innerhalb von 15 Tagen stellen, nachdem er von dem Versäumnisurteil erfahren hat.).

  1. Beweislast bei Teilnahme der schwächeren Streitpartei (§ 452 Abs. 2 ZSO)

In verbraucherrechtlichen Streitigkeiten wird das Gericht berechtigt sein, die Beweisinitiative zu übernehmen und auch die vom Verbraucher nicht beantragten Beweise durchzuführen, wenn dies für die Entscheidung in der Sache unerlässlich ist. Die Einholung und Sicherung eines solchen Beweises führt das Gericht auch ohne Antrag durch. Die Bestimmungen über die Konzentration des Verfahrens finden in verbraucherrechtlichen Streitigkeiten keine Anwendung, da der Verbraucher berechtigt sein wird, sämtliche Tatsachen und Beweise zum Nachweis seines Vortrags spätestens bis zur Verkündigung der Entscheidung in der Sache selbst vorzulegen bzw. anzuführen. Das Vorgenannte bezieht sich auch auf Arbeitnehmer im Rahmen von individuellen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Für die Zwecke der Einholung oder Sicherung der Beweise wird der Arbeitgeber verpflichtet sein, dem Gericht Mitwirkung zu leisten, wenn dies von ihm gerechterweise verlangt werden kann. Bei Verletzung dieser Pflicht kommt die Auferlegung einer Ordnungsstrafe im Sinne des § 102 ZSO („Das Gericht kann eine Ordnungsstrafe demjenigen auferlegen, der den Verfahrensvorgang insbesondere dadurch vereitelt, indem er die ihm durch das Gericht auferlegte Pflicht nicht erfüllt und seine Untätigkeit im Verfahren durch keine wichtigen Umstände und nicht rechtzeitig gerechtfertigt.“) bis zu EUR 500 in Frage, bei wiederholter Pflichtverletzung bis zu EUR 2.000.

Eine solche Abweichung von der allgemeinen Regelung der prozessualen Beweisführung in Form der Zuneigung zum Untersuchungsprinzip ist durch den erhöhten Eingriff des Gerichts als Organs zum Schutz der Rechte in die verbraucherrechtlichen und individuellen arbeitsrechtlichen Beziehungen begründet. Gleichzeitig schließt der Charakter einer verbraucherrechtlichen und individuellen arbeitsrechtlichen Streitigkeit, in der sowohl der Verbraucher als auch der Arbeitnehmer die Stellung einer schwächeren Partei hat, die Anwendung der strengen Konzentration des Verfahrens aus, die sich auf allgemeines Streitverfahren beziehen wird.

VII. Strafe für unzulässige oder unbegründete Revision (§ 452 Abs. 2 ZSO)

ZSO führt eine Sanktion in Form einer Ordnungsstrafe von bis zu EUR 500 ein, falls das Revisionsgericht die erhobene Revision als unzulässig zurückweist oder als unbegründet ablehnt in Fällen, in denen es über die Revision in einer ähnlichen Sache entscheidet, die mindestens in fünf Fällen Gegenstand eines vor diesem Gericht auf Grundlage einer früheren, von demselben Revisionsführer erhobenen Revision geführten Verfahrens war. Die Ordnungsstrafe wird durch das Gericht demjenigen Anwalt auferlegt, der die betreffende Revision unterzeichnet hat. Der Regressanspruch gegen den Klienten hat der Anwalt nur dann, wenn er die Revision auf dessen speziellen schriftlichen Auftrag erhoben hat.

Die vorgenannte Bestimmung knüpft an die Tradition des slowakischen Zivilprozesses an, z.B. an die Zivilprozessordnung aus 1911, dessen Bestandteil das Institut der sog. „Strafe für zu häufige Prozessführung“ war. Der Grund für die Einführung einer solchen Rechtsregelung liegt darin, die Anwälte dazu zu motivieren, keine offensichtlich unnötige Revisionen zu erheben, die das Oberste Gericht belasten. Der Anwalt als rechtskundige Person soll die Funktion der primären Reduktion der Revisionsidee erfüllen und die schikanösen Anträge der Streitparteien auf Revisionsprüfung auswerten können.

Verfasser des Artikels ist JUDr. Lenka Bogárová, kooperierende Anwältin der Konečná & Zacha in Bratislava.

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